Samstag, 8. März 2014

Frauen fühlen sich überqualifiziert und unterbezahlt

Frauen machen heute leichter Karriere. Aber viele meinen, sie könnten ihre Fähigkeiten noch nicht richtig ausspielen. Etliche Personalchefs halten die weiblichen Kollegen einfach für überempfindlich.

Mit viel Selbstbewusstsein treiben Frauen in Deutschland ihre Karriere voran, auch wenn sie dabei nach wie vor auf Barrieren stoßen. Knapp zwei Drittel der berufstätigen Frauen schätzen sich selbst als erfolgreich im Beruf ein und sehen auch für die Zukunft gute Karrierechancen. Das zeigt sich auch bei den Gehaltsverhandlungen mit dem Arbeitgeber: 62 Pozent haben bereits aktiv ein höheres Gehalt verlangt, nach einer Beförderung fragten immerhin 41 Prozent.

Damit verringern sich die Unterschiede zwischen den Geschlechtern, so die Ergebnisse der internationalen Frauenstudie der Managementberatung Accenture anlässlich des Weltfrauentags. Denn 69 Prozent der Männer fragten bei ihrem Arbeitgeber nach einer Gehaltserhöhung und 49 Prozent nach einer Beförderung. 4200 Frauen und Männer in mehr als 30 Ländern wurden für die Untersuchung befragt.

Trotz dieser optimistischen Einschätzung der eigenen Karriere begegnen viele Frauen aber noch immer Hürden auf ihrem Weg zum beruflichen Erfolg. So gaben 40 Prozent an, für ihren jetzigen Job überqualifiziert zu sein. Bei Männern hingegen kam nur etwa ein Viertel zu dieser Einschätzung (27 Prozent).

Keine großen Einkommensunterschiede

Einerseits fehle es an flexiblen Arbeitszeitmodellen, die speziell auf die Bedürfnisse der Frauen zugeschnitten sind, so Accenture. Dieses Problem wird sich nach Einschätzung der befragten Frauen sogar noch verschärfen: 37 Prozent glauben, dass es in Zukunft schwieriger werden wird, Beruf und Privatleben miteinander in Einklang zu bringen.

Männer sind aber noch pessimistischer: 49 Prozent der Befragten gaben an, dass eine gute Work-Life-Balance schwieriger zu erreichen sein werde. Dementsprechend gibt es auch für die Arbeit im Home-Office wenig Anhänger: 27 Prozent der Frauen und 32 Prozent der Männer glauben, dass die Mehrheit der Angestellten hauptsächlich virtuell und nicht mehr in einem Büro zusammenarbeiten wird.

Mit einer weit verbreiteten Überzeugung räumt dagegen eine andere Untersuchung auf: Frauen verdienen kaum noch schlechter als Männer. Im Mittel bekommen sie derzeit zwei Prozent weniger Gehalt. "Das ist das Ergebnis unserer Studie, wenn wir gleichwertige Tätigkeiten von Frauen und Männern miteinander vergleichen, also Tätigkeiten mit vergleichbarem Aufgabenzuschnitt und Verantwortungsgrad", sagt Thomas Gruhle, Mitglied der Geschäftsleitung der Unternehmensberatung Hay Group.

In den vergangenen Jahren habe sich der Gehaltsunterschied zwischen Frauen und Männern sogar noch deutlich verringert. 2010 lag er laut Gruhle noch bei vier Prozent. Wie es dazu kommt, dass die Wahrnehmung anders ist und Frauen also wesentlich weniger als Männer verdienen sollen, erläutert der Berater auch: "Oft werden in anderen Studien Äpfel mit Birnen verglichen. Wer Durchschnittsgehälter miteinander vergleicht, wird oft einen eklatanten Unterschied feststellen – aber nur, weil Frauen in geringer bezahlten Jobs häufig überrepräsentiert sind", so Gruhle.

Männerdominanz in Top-Jobs vorerst nicht gebrochen

So hätten Männer häufiger Jobs in besser bezahlten Branchen. "Deutlich mehr Männer sind in den gut bezahlten Ingenieurs- und IT-Berufen zu finden als Frauen", sagt Gruhle. Frauen hingegen finden sich häufiger in Jobs in der Administration oder dem Marketing, also in Funktionen, in denen im Mittel wesentlich geringere Vergütungen gezahlt werden. Gemäß der Accenture-Umfrage fehlt den Frauen aber noch der Glaube an einen gesellschaftlichen Wandel. Sie seien weiterhin skeptisch, dass die Dominanz von Männern im Top-Management gebrochen werden kann.

Nur 23 Prozent glauben, dass Männer und Frauen bis zum Ende des Jahrzehnts gleichermaßen in Führungspositionen vertreten sein werden. Männer trauen den Frauen jedoch mehr zu: 37 Prozent gaben an, dass beide Geschlechter in Führungspositionen gleich stark vertreten sein werden.

"Frauen wollen heute genau wie ihre männlichen Kollegen Karriere machen", sagt Sandra Babylon, Managing Director bei Accenture. "Frauen planen ihre Karriere heute viel systematischer, eignen sich gezielt bestimmte Fähigkeiten an und bauen Netzwerke auf, von denen sie langfristig profitieren. Aber auch die Arbeitgeber müssen nach wie vor ihren Teil dazu tun, um Frauen beim beruflichen Aufstieg gezielt zu unterstützen", sagt Babylon weiter.

Viele stehen sich selbst im Weg

Aber dafür stehen sich Frauen wohl auch selbst im Weg – das geht aus einer dritten Umfrage zum Weltfrauentag hervor: 39 Prozent der Personalchefs beklagen eine zu hohe Sensibilität von Mitarbeiterinnen. Etwa 30 Prozent sind der Ansicht, dass Frauen der Wunsch im Weg steht, von ihren Kollegen gemocht zu werden. Befragt wurden 200 deutsche Personaler vom Personaldienstleister Robert Half.

"Die Umfrageergebnisse legen auch nahe, dass sich auch viele Männer mehr Zeit für Familie und Privatleben wünschen", sagt Sandra Babylon. "Denn bei der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sind Männer sogar pessimistischer als Frauen. Das Ergebnis deckt sich mit unseren Erfahrungen, dass sich gerade jüngere männliche Kollegen mehr Zeit neben dem Beruf wünschen, um etwa ihre Rolle als Väter besser wahrnehmen zu können."

Das bedeute für die Arbeitgeber, dass sie sowohl die Kariere von Frauen fördern, gleichzeitig aber geschlechterübergreifend neue Wege bei der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben gehen müssen. Babylon: "Neben flexiblen Arbeitszeitmodellen zählten dazu auch der Einsatz von Technologien zum vernetzten Arbeiten wie auch das Angebot, längere Auszeiten zu ermöglichen, etwa die Elternzeit."

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