Montag, 7. April 2014

Gipfeltreffen: Entscheiderinnen unter sich

Der „Global  Female Leaders Summit“ in Zürich will zum Davos für Frauen werden. Das erste Gipfeltreffen der Powerfrauen zeigt: Frauen stellen andere Fragen als Männer  – und haben womöglich die besseren Antworten.

Cherie Blair während ihrer Rede auf dem Global Female Leaders Summit 2014 in Zürich.





Zürich Wer angesichts der neuen Quotenregelung für Aufsichtsräte fragt: Wo sind die Frauen denn?, dem hätte man wohl diese Woche sagen müssen: in Zürich. Dort, im Luxushotel Dolder Grand mit Blick auf den Zürichsee, hatten sich von Montag bis Mittwochabend gut 100 Top-Managerinnen und Gründerinnen aus der ganzen Welt zum ersten „Global Female Leaders Summit“ getroffen hatten.
Der Anspruch des Treffens: kein geringerer, als einen weiblichen Kontrapunkt zum Weltwirtschaftsforum in Davos zu setzen, wo Frauen häufig nur als Begleitung auftreten – selbst in Zeiten, in denen Führungsetagen weltweit merklich weiblicher werden. Die Idee der Veranstalter vom Eschborner Management Circle für Zürich war es daher, Frauen mit Erfahrung und Expertise aus der ganzen Welt zusammenzubringen, über Business-Chancen und Entrepreneurship diskutieren zu lassen und miteinander zu vernetzen.
Auf der Agenda standen gerade nicht die Debatte um Frauenquoten und Chancengleichheit, sondern, gender-neutral und inhaltlich ambitioniert, die Stabilität der Finanzmärkte, die Dynamik der arabischen Länder oder die Energieversorgung der Zukunft.
Zu Gast waren Managerinnen mit bekannten Gesichtern wie Opel-Marketingfachfrau Tina Müller, Mastercard-Finanzchefin Martina Hund-Mejean oder DIW-Energieexpertin Claudia Kemfert. Unter den Teilnehmerinnen waren aber auch viele Frauen, die in Deutschland bislang unbekannt sind – und das zu Unrecht, wie ein Blick via www.globalfemaleleaders.com auf ihre beeindruckenden internationalen Werdegänge zeigt.
Männer, das nur als Randnotiz, waren übrigens ebenfalls geladen, sie wollte dort keiner ausschließen. Aber sie hatten allesamt zu spät zugesagt, um noch ins Programm integriert zu werden.
Sie hätten bei den Debatten oder nachmittäglichen Denkrunden auf der Terrasse mit Blick auf den hoteleigenen Golf Course und schneebedeckte Alpen definitiv nicht gestört. Sie hätten auch dazugelernt: Denn wenn Frauen die Mehrheit stellen, werden Themen anders diskutiert.
Etwa, als es um die Dynamik der Länder im arabischen Raum ging und bald die Frage aufkam: Was tun, wenn Voraussetzung für ein Geschäft ist, die Scharia als Vertragsgrundlage zu nehmen? Welche Rolle kann ich als Frau dort einnehmen? Oder als zum Beispiel eine britische Konzernchefin auf dem Podium locker darüber plauderte, dass sie einst, als der Sohn noch klein war und schlecht schlief, nachts oft die Not zur Tugend gemacht hatte: sich auf einen Stuhl stellte und ihre Reden und Vorträge einübte. Kann sich jemand einen deutschen Dax-Chef in dieser Rolle vorstellen? Wohl (noch) nicht.
Hätten Frauen die Krise verhindern können?
Auch Tina Müller, seit August 2013 Marketing-Vorständin bei Opel und die Frau hinter „Umparken im Kopf“, stellte eine höchst weibliche Sicht auf die männerdominierte Autobranche dar. Sie zeigte, wie sie das für sich nutzen konnte und es dank Testimonials wie Jürgen Klopp und einer selbstironischen Kampagne geschafft hat, den Opel Adam als Kultfahrzeug für eine Zielgruppe zu etablieren, die eine männerdominierte Marketingabteilung sicherlich nicht so gut verstanden hätte: junge Frauen.
In einer – euphemistisch ausgedrückt -  männlich geprägten Branche ist auch Luise Hölscher aktiv: Vormals Staatssekretärin des hessischen Finanzministeriums, ist sie seit Oktober 2013 Vizepräsidentin der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in London und eine von zwei Frauen im Executive Committe. In Zürich war ihr Thema, wie die Banken das Vertrauen in die Finanzmärkte zurückgewinnen können.
Waren es nicht Eigenschaften wie hohe Risikofreude gepaart mit einem Fokus allein auf Gewinnzahlen, die die Finanzkrise ausgelöst haben? Waren es nicht vor allem Männer, die zu jener Zeit die kriselnden Institute steuerten? Hätten mehr Frauen in den Spitzenpositionen der Banken die Krise ausgebremst?
Noch gibt es keine verlässlichen Studien, die zweifellos aufzeigen, ob weibliche Managerinnen dazu beitragen, dass Finanzinstitute Risiken minimieren und dadurch nachhaltigere Gewinne erwirtschaften. Aber vieles spricht dafür, denn Frauen agieren grundsätzlich risikoaverser, sind eher langfristig orientiert, meiden Klumpenrisiken.  So hat Hölscher, deren Institut bei der Refinanzierung von Mikrokrediten in Jordanien, Marokko oder Tunesien sehr aktiv ist, im Nahen Osten die Erfahrung gemacht: Die Bauersfrau, die einen Kredit für ihr Mofa benötigt, um Waren auf dem Markt zu verkaufen, wird das Darlehen wohl einfacher erhalten als ihr Mann. Denn wenn sich  Frauen verschulden, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass das Geld zurückfließt.
Hölschers Fazit wäre aber keineswegs, nur auf Frauen zu setzen – sondern eben auf gemischte Teams, die Risikofreude mit nachhaltigen und langfristigen Absichten kombinieren.
So hielt die Frauenfrage dann doch  latent in allen Panels Einzug und spielte, das ist klar, auch bei den eher informellen Gesprächsrunden auf der Hotelterrasse, eine Rolle, wo Managerinnen wie die frühere SAP-Vorständin Angelika Damman, die mittlerweile selbstständig internationale Unternehmen berät, ihre Erfahrungen weitergaben.
Am Nachmittag des zweiten Konferenztages ging es dann auch einmal ganz direkt und offen um den Sinn von Diversity und der Frauenquote. Und das war dann doch eine Überraschung in einem Saal voller Managerinnen, die es alle ohne Quote an die Spitzen ihrer Unternehmen geschafft haben: Fast alle, selbst jene mit Management-Erfahrung in Asien oder in den USA, befürworteten ganz klar eine Quote zumindest als Instrument für eine Übergangsphase, um den Kulturwandel in Führungsetagen voranzutreiben.
Fast alle wollen die Quote
Selbst Zurich-Vorständin Marita Kraemer, die in ihrem Leben schon so oft den Namenszusatz „erste Frau“ getragen hat und bereits seit 1999 zu jenen noch immer geringen Anzahl Frauen gehört, die in der Finanzbranche ganz oben angekommen sind, spricht sich mittlerweile für eine Quote aus, die sie immer wieder auch öffentlich abgelehnt hat.
Den Grund für ihren Sinneswandel schildert sie bei eine kurzen Kaffeepause zwischendurch: Eine Headhunterin hatte ihr im Vorfeld der Bundestagswahl erzählt, das die Suche nach Frauen für Führungsposten plötzlich erlahmt sei. Die Unternehmen warteten lieber ab, ob eine neue Regierung die Quotenpläne nicht einstampfen würde. Aber wie sollen qualifizierte Frauen ohne Suche gefunden werden? Das war für Kraemer, die auch immer geglaubt hat, dass Frauen alles aus eigener Kraft erreichen können, der Punkt zur Einsicht, dass eine Quote tatsächlich etwas bewegt.
Nur eine Frau auf dem Podium, Mastercard-Finanzchefin Martina Hund-Mejean, die mit 23 Jahren in die USA gegangen war, sagte klar „Nein“ zu einer gesetzlichen Quote. Sie begründete das unter anderem mit den Fehlanreizen der „affirmative action“, die sie in den Staaten beobachtet hatte, sowie mit ihrer Erfahrung im Mastercard-Board: Wenn es der Konzernspitze ernst sei, Minderheiten und alternative Ansichten zu integrieren, könne das innerhalb weniger Jahre klappen, ganz ohne Quote.
Und dann schwebte seit Beginn des Kongresses in dieser luxuriös-leichten Atmosphäre des Grand Dolder, das seit 1899 besteht und vor wenigen Jahren für 440 Millionen Euro renoviert wurde, noch ein anderer Aufruf über allem. Ganz zu Beginn hatte Nazma Akter gesprochen, die als Elfjährige begonnen hatte, in einer Garnfabrik in Dhaka zu arbeiten, und sich heute mit der Awaj Foundation in Bangladesch für faire Arbeitsbedingungen für die Arbeiter und Näherinnen einsetzt.
Nazma Akter sprach ohne Manuskript, aber ohne zu stocken. Gefasst, und doch sichtlich getrieben von ihrer eigenen Geschichte. Es ist die Geschichte eines Landes, in dem Näherinnen in maroden Fabriken ihr karges Leben riskieren, sexuell belästigt werden und doch keine andere Wahl haben als zu arbeiten. Die Geschichte einer Gesellschaft, in der alleinerziehende Mütter trotz 14-Stunden-Schichten für multinationale Konzerngeflechte nicht genug Geld für die Ernährung ihrer Kinder haben.
„Wir brauchen sichere Arbeitsbedingungen, wie brauchen verantwortungsvolle Unternehmer, wie brauchen faire Preise!“, appellierte  Nazma Akter. Dieser Appell galt nicht nur den Frauen im Saal, nicht nur den Männern in den Konzernzentralen, sondern allen, die gedankenlos zum T-Shirt für fünf Euro greifen

Quelle: Handelsblatt


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