Freitag, 4. Juli 2014

Unter weiblicher Kontrolle

Dax-Konzerne nehmen die Frauenquote in den Aufsichtsräten vorweg. Anteil nähert sich 30%

Vorstandschef Herbert Hainer könnte seit einigen Wochen einen zusätzlichen Antrieb haben, das Ziel auch konsequent zu verfolgen. Immerhin kontrollieren erstmals auch zwei Frauen im Aufsichtsrat als Vertreter der Aktionäre das Unternehmen. Die Hauptversammlung wählte im Mai die frühere Fußball-Nationalspielerin Katja Kraus sowie Kathrin Menges, Personalvorstand bei Henkel, in den Aufsichtsrat von Adidas.

Zahlreiche andere Unternehmen haben es Adidas gleichgetan. Die deutschen Dax-Konzerne erhielten im vergangenen Jahr zwölf neue Aufseherinnen der Kapitaleigner, ermittelte die Personalberatung Russell Reynolds Associates in einer Studie, die der "Welt" exklusiv vorliegt. Neben Katja Kraus und Kathrin Menges bei Adidas ersetzten auch die frühere Panalpina-Chefin Monika Ribar (Deutsche Lufthansa), Dame Alison Carnwath (BASF), Isabelle Pariza (Beiersdorf), Sabine Neuß (Continental), Barbara Cux (Henkel) und Helga Rübsamen-Schaeff (Merck) Männer in Dax-Aufsichtsräten. Das hat vor allem einen Grund: Die Diskussion rund um die Frauenquote im Aufsichtsrat. Die Bundesregierung arbeitet an einem Gesetz, das bei Neubesetzungen ab 2016 eine Quote von 30 Prozent in den Aufsichtsgremien börsennotierter Aktiengesellschaften vorsieht. Der Referentenentwurf wird derzeit im Deutschen Bundestag diskutiert.

Auch unabhängig von einem Gesetz sind die Dax-Konzerne auf einem guten Weg. Rechnet man die Rate hoch, mit denen sie in den vergangenen Jahren Frauen in die Aufsichtsräte holten, dürften sie im Schnitt schon 2017 einen Frauenanteil von 30 Prozent im Aufsichtsrat erreichen. Aktuell liegt die Quote der Kapitalvertreter bei 21,1 Prozent nach 18 Prozent im Vorjahr. Bezieht man auch die Vertreter ein, die die Arbeitnehmer entsenden, ergibt sich ein Frauenanteil von 24 Prozent. Kein Aufsichtsratschef wolle sich vorwerfen lassen, die aktuelle gesellschaftliche Debatte über eine Frauenquote nicht ernst zunehmen. "Die Einführung der verbindlichen Quote ist damit fast unerheblich", sagt Pietralla, "die Tatsache, dass sie diskutiert wird, aber keineswegs."

Adidas erfüllt mit seinen zwei Aktionärsvertreterinnen die Anforderungen der Quote im Bezug auf die Vertreter der Kapitaleigener schon heute. Auch die Allianz, BASF, Beiersdorf, Daimler, Deutsche Bank, E.on, Henkel, Infineon und Münchener Rück können einer Quotenregelung entspannt entgegenblicken. Ganz anders etwa als Fresenius, die bis heute noch keine einzige Frau im Aufsichtsrat haben.

Es scheint, dass sich die Unternehmen in einem Wettkampf um die besten weiblichen Talente befinden. Viele knüpfen schon jetzt Kontakte zu möglichen Kandidatinnen, um Plätze, die in Jahren frei werden, zu besetzen. Angesichts der hohen Nachfrage nach weiblichen Aufseherinnen wird das Angebot knapp. "Unternehmen werben intensiv um geeignete Frauen für ihren Aufsichtsrat", sagt Pietralla. "Dies ist europaweit ein Kandidatinnenmarkt geworden."

Die Dax-Konzerne haben zuletzt einen guten Job gemacht. Die Gesamtnote verbesserte sich von 2,6 im vergangenen Jahr auf 2,4. An der Spitze des aktuellen Rankings stehen die Deutsche Bank und Henkel. Es folgt Beiersdorf auf Platz 3. Den 4. Platz teilen sich gleich vier Konzerne: Daimler, Deutsche Post, Deutsche Telekom sowie Siemens.

Die Personalberater von Russell Reynolds bemerken, dass die Dax-Konzerne wieder verstärkt auf deutsche Kontrolleure setzen. Der Anteil ausländischer Aufsichtsräte fiel leicht von 30 Prozent auf 28,4 Prozent. "Die große Euphorie der ausländischen Neuzugänge scheint erloschen zu sein", sagt Thomas Tomkos, verantwortlich für das Deutschlandgeschäft von Russell Reynolds. "In diesem Jahr standen Deutsche wieder mehr im Vordergrund – bei den Frauen wie bei den Männern."

Den höchsten Anteil an Ausländern weisen weiterhin Volkswagen und die Deutsche Bank (jeweils 60 Prozent), sowie die Allianz, Beiersdorf, Fresenius MC und Henkel mit jeweils 50 Prozent auf. Der frühere SAP-Co-Vorstandsvorsitzende Jim Hagemann Snabe, ein gebürtiger Däne, ist mit der Allianz, SAP und Siemens gleich in drei Aufsichtsräten neu vertreten.

Ein Mandat im Aufsichtsrat eines Dax-Konzerns kann durchaus lukrativ sein. Volkswagen zahlt mit durchschnittlich fast 500.000 Euro in etwa das Dreifache des üblichen Dax-Aufseher-Gehalts. Doch notwendig ist eine hohe Bezahlung nicht, um auch eine hohe Qualität im Aufsichtsrat zu erzielen. Pietralla erklärt: "Reputation des Unternehmens, Qualität der vorhandenen Aufsichtsräte und des Vorsitzenden sowie die Vermeidung von Interessenskonflikten haben ein deutlich höheres Gewicht."

Der Sportartikelkonzern Adidas gibt sich gerne jung und modern. Das Unternehmen zog zuletzt eine neue Kita hoch, baute ein Sportzentrum und eine neue Kantine. Hierzu gehört auch, dass sich das Unternehmen ein ehrgeiziges Ziel gesetzt hat, Frauen in die Führungspositionen zu hieven. Bis zum kommenden Jahr soll der Frauenanteil in Führungspositionen von aktuell 28 Prozent auf mindestens 32 Prozent steigen.

Quelle: welt.de von Andre Tauber


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