Freitag, 6. März 2015

Studie: Mittelständler hinken bei Frauenförderung hinterher

Deutschland mit Japan weltweites Schlusslicht bei Karrierechancen für Frauen – Globaler Vergleich zur Präsenz und Aufstiegschancen für Frauen in Führungspositionen – Quote kann helfen.
Alle Diskussionen zur beruflichen Gleichstellung haben in Deutschland wenig gebracht. Die Studie “Frauen im Management” der weltweit tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Warth & Klein Grant Thornton misst seit zehn Jahren in 35 Ländern weltweit, ob und wie Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft aufsteigen.
Das Ergebnis der Studie: Der deutsche Mittelstand schneidet bei der beruflichen Karriere von Frauen weltweit am schlechtesten ab. Und: Seit 2004 hat sich daran nichts geändert. Auch heute gilt: In keinem anderen Land der Welt – ausser Japan – ist die Zahl der Unternehmen, die Frauen im Top-Management beschäftigen, so niedrig wie in Deutschland. Fast zwei Drittel der Firmen haben keine Frauen in Führungspositionen. Das sind doppelt so viele wie sonst in der EU. In keinem anderen Land müssen Frauen so viele und so hohe Hürden nehmen, um überhaupt in Führungspositionen aufsteigen zu können. Über die Hälfte der Managerinnen sagt, dass sie in der Firma zuwenig Unterstützung bei der Karriere erhalten. Es fehlen berufliche Anerkennung, Förderung und Verständnis dafür, Beruf und Familie zu vereinen. Und: Nur in deutschen Unternehmen sind geschlechtsspezifische Vorurteile aus Sicht von Managerinnen ein starkes Hindernis für den beruflichen Aufstieg. Fast jede zweite Frau, die ins Top-Management aufsteigen konnte, sagt: Ich hatte es schwerer als meine männlichen Kollegen, weil ich eine Frau bin. Das gibt es in keinem anderen Land.
Für die Studie wurden 5.400 Frauen und Männer in Führungspositionen aus dem Mittelstand in 35 Ländern weltweit befragt. “Unternehmen sollten sich öffentlich zur beruflichen Gleichstellung bekennen und mehr investieren, um Frauen als Führungskräfte zu gewinnen und ihren Aufstieg intern zu fördern”, sagt Dr. Heike Wieland-Blöse, Vorstand bei Warth & Klein Grant Thornton: “So dürfen beispielsweise flexible Arbeits- und Elternzeiten kein Karrierehindernis sein, weder für Frauen noch für Männer.”
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Bei deutschen Unternehmen liegt der Anteil der von Frauen besetzten Topjobs seit 2004 weit unter dem Durchschnitt – und hat sich von 16 auf heute 14 Prozent sogar noch verringert. Die größten Fortschritte machten dagegen Frankreich, Spanien und Schweden. In allen drei Ländern stieg der Anteil von Frauen in Führungspositionen deutlich, in Spanien sogar fast um 100 Prozent. “In den Ländern mit dem höchsten Zuwachs hat die dort jeweils eingeführte Frauenquote offensichtlich dazu geführt, dass sich die Karrierechancen von Frauen insgesamt verbessert haben”, sagt Dr. Heike Wieland-Blöse.
Featured imageWas Frauen am Aufstieg hindert
76 Prozent aller befragten Führungskräfte in deutschen Unternehmen sehen Hürden für Frauen, die in Topjobs aufsteigen wollen. Das sind so viele wie in keinem Land. Zu den größten Hindernissen aus Sicht der befragten deutschen Managerinnen zählen Elternschaft sowie fehlende Strukturen in Unternehmen, die Frauen unterstützen (jeweils 53 Prozent). Nahezu jede zweite weibliche Führungskraft nennt aber auch geschlechtsspezifische Vorurteile als Hinderungsgrund für den Aufstieg (47 Prozent) – so viele wie in keinem anderen Land der Welt. In den USA, Frankreich und Rußland wird die Kindererziehung aus Sicht berufstätiger Managerinnen weitaus weniger als Problem wahrgenommen. In Rußland ist die Leistung von Frauen in Führungskräfte im weltweiten Vergleich am meisten anerkannt. „Das Festhalten an überkommenen Rollenbildern für Führungskräfte benachteiligt alle – Frauen können nicht aufsteigen, Männer scheuen sich, mehr Zeit für die Kindererziehung aufzubringen“, sagt Dr. Heike Wieland-Blöse, Vorstand bei Warth & Klein Grant Thornton.
Frankreich, Spanien, Rußland, USA: Mehr Anerkennung, mehr Chancen für Frauen
In Frankreich sind 33 Prozent der Führungspositionen in den Unternehmen heute von Frauen besetzt. Damit gehört Frankreich zu den Ländern, die seit 2004 die größten Fortschritte gemacht haben. In Spanien hat sich der Anteil der Führungspositionen, die von Frauen besetzt sind, seit 2004 von 14 auf 26 Prozent sogar fast verdoppelt. Damit liegen beide Länder deutlich vor Deutschland (14 Prozent). Immerhin rund 39 Prozent der befragten Managerinnen in Frankreich sieht keine Hürden für die Karriere von Frauen in Unternehmen, doppelt so viele wie in Deutschland. Hierzulande häufig genannte Probleme wie Kindererziehung, das Fehlen weiblicher Rollenvorbilder im Beruf oder unzureichende Strukturen, die Frauen bei der Karriere unterstützen – sie alle spielen bei den befragten Managerinnen in Frankreich keine Rolle.
Rußland und die Länder Osteuropas sind bei der Gleichstellung von Frauen und Männern im Beruf am weitesten. Die Studie sieht dafür vor allem historische und demografische Gründe. Die Gleichstellung wurde in der ehemaligen kommunistischen Gesellschaftsordnung stark gefördert. Zudem leben in Rußland mehr Frauen als Männer (120 zu 100). Nur 11 Prozent der Unternehmen verzichten auf Frauen im Topmanagement, so wenige wie sonst nirgendwo auf der Welt. Geschlechtsspezifische Diskriminierung ist aus Sicht russischer Managerinnen kaum eine Hürde beim beruflichen Aufstieg. Nur 9 Prozent nennen diesen Aspekt, aber 47 Prozent in Deutschland.
Auch in den USA sind die Unternehmen frauenfreundlicher. Der Anteil der Unternehmen, die auf Frauen in Führungspositionen verzichten, ist auf heute nur noch 21 Prozent gesunken. Hier liegen US-Unternehmen deutlich über dem globalen Durchschnitt (32 Prozent) und auf dem sehr guten Niveau der fortschrittlichsten Länder Europas Frankreich und Schweden. Weltweit erreicht nur Rußland einen deutlich niedrigeren Wert (11 Prozent). 55 Prozent der befragten Managerinnen bemerken keine Hürden in den Unternehmen, die den Aufstieg von Frauen in Führungspositionen behindern. Dieser Wert wird in Europa nur von Schweden übertroffen. Elternschaft und Kindererziehung schließen aus Sicht der Managerinnen den Aufstieg in die Führungsriege von US-Unternehmen nicht aus: Nur zehn Prozent der befragten weiblichen Führungskräfte nennen diesen Aspekt als Hürde. Das ist der mit Abstand niedrigste Wert aller Industrienationen weltweit. Dabei ist in den USA eine bezahlte Elternzeit nicht üblich.
Wie lässt sich die berufliche Gleichstellung fördern?
“Viele Frauen lehnen eine Quote ab, weil sie nicht allein wegen dieser Quote als Führungskraft aufsteigen wollen”, sagt Heike Wieland-Blöse, Vorstand von Warth & Klein Grant Thornton: “Eine Quote kann aber dazu beitragen, dass alle Unternehmen verstärkt in die Vereinbarkeit von Beruf und Familie investieren und so Frauen wie auch Männern ein flexibles und attraktives Karriereumfeld bieten.”
Die Studie gibt fünf Empfehlungen:
  1. Es sollte gesellschaftlich und in Unternehmen anerkannt sein, dass auch Männer Elternzeit nehmen oder zur Kinderbetreuung zu Hause arbeiten. Mütter, die in Unternehmen Karriere machen, benötigen die Mithilfe ihrer Ehemänner und Lebenspartner. Für diese ist das aber häufig das Ende ihrer eigenen Karriere.
  2. Die Führungsspitzen in den Unternehmen sollten sich öffentlich zur Gleichstellung und zur Förderung von Frauen in Führungspositionen verpflichten. Sie müssen in Rollenvorbilder, Mentoren und Sponsoren investieren, an denen sich Frauen bei der Karriere orientieren können und die Frauen aktiv fördern. Nur so lässt sich die Diskriminierung von Frauen in Unternehmen unterbinden.
  3. Unternehmen sollten flexibler bei der Arbeitszeit und bei der Arbeitsorganisation werden. Frühe und späte Meetings, lange Reisezeiten und ein hierarchisches Führungsmodell machen Führungsjobs für Frauen, aber auch für viele Männer wenig attraktiv.
  4. Frauen, die Karriere machen wollen, müssen mutiger werden. Sie müssen bereitwilliger berufliche Herausforderungen annehmen und sich so als Kandidaten für den weiteren Aufstieg bemerkbar machen. Männer riskieren häufig mehr und sind daher erfolgreicher.
  5. Auch eine begrenzte Frauenquote kann helfen, dass die Wirtschaft generell mehr in Frauen investiert: In Ländern mit solcher Quote wie Frankreich, Spanien und Schweden hat sich der Anteil der Frauen in Führungspositionen seit 2004 teilweise sogar verdoppelt.
Über die UmfrageFür die Studie hat die weltweit tätige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Warth & Klein Grant Thornton 5.400 Frauen und Männer in Führungspositionen aus dem Mittelstand in 35 Ländern weltweit befragt. Die Studie wird seit 2004 jeweils alle zwei Jahre aktualisiert. Die Befragten sind ausschließlich geschäftsführende und leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Über Warth & Klein Grant ThorntonWarth & Klein Grant Thornton gehört mit 87,4 Millionen Euro Jahresumsatz zu den Top10 der deutschen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Über 700 Mitarbeiter betreuen an zehn Standorten in Deutschland neben börsennotierten Unternehmen den großen Mittelstand. Schwerpunkte der Arbeit der Gesellschaft sind Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung sowie Corporate Finance & Advisory Services. Weltweit ist das Netzwerk Grant Thornton in 130 Ländern mit mehr als 40.000 Mitarbeitern vertreten.

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